Er trägt zur Verschönerung des Erscheinungsbilds der Samtgemeinde Steimbke bei: Lutz Schönenborn hat über das „ABC“-Projekt des Jobcenters Nienburg einen Arbeitsplatz gefunden. FOTO: JOBCENTER NIENBURG© Die HarkeSTEIMBKE/NIENBURG. Fabian, Max und Lina sehen ihren Vater jetzt seltener. Lian auch. Der jüngste Sohn von Lutz Schönenborn ist wenige Monate alt und hat seinen Vater werktags noch nie zuhause erlebt. Anders als seine Geschwister.
„Dass meine Kinder mitbekommen, wie ich morgens zur Arbeit gehe und abends wieder nach Hause komme, macht mich glücklich – das ist das Bild, das ein Vater seinen Kindern bieten sollte“, sagt Schönenborn. Der 50-Jährige arbeitet seit einem halben Jahr auf dem Bauhof der Samtgemeinde Steimbke. Seine berufliche Irrfahrt habe damit ein glückliches Ende gefunden, heißt es in einer Mitteilung des Jobcenters.
Dafür sei er dem Jobcenter Nienburg sehr dankbar. Schönenborn profitiert von einem neuen Vermittlungsansatz, den das Jobcenter seit mehr als einem Jahr praktiziert: „Das ,ABC-Projekt‘ ermöglicht uns, Vermittlung neu zu denken“, sagt Fabian Brehmer, einer von drei „ABC“-Fallmanagern im Nienburger Jobcenter. Beschäftigungslosigkeit werde jetzt als familienübergreifende Belastung begriffen. „Im Jobcenter Nienburg unterstützen wir mit unserem Projekt ,ABC‘ gezielt Familien. Wir begleiten unsere Kunden als Netzwerkpartner ganzheitlich und führen die Beratung auch vor Ort in den Familien durch“, sagt JobcenterGeschäftsführer Frank Köhring.„ABC“ steht für „Aktivierung, Beratung, Chancen“ und bedeute eine am Kunden orientiere Modernisierung der Vermittlungsarbeit.
Diesen Ansatz verfolgten jetzt bundesweit viele Jobcenter, um den besonderen Bedürfnissen von Langzeitarbeitslosen entgegenzukommen. Die Familien würden eingeladen, freiwillig von der intensiveren Betreuung zu profitieren. Arbeitsmarktforscher sehen in dem Ansatz den Vorteil, die Bemühungen verschiedener Ämter kreativ und für jeden einzelnen Kunden immer wieder neu auszugestalten. Genau diesen Vorteil betont auch Geschäftsführer Köhring: „Viele unserer Kunden haben sich vielfältigen Hemmnissen zu stellen, Beschäftigungslosigkeit ist oft nur die logische Folge davon. Wenn wir dabei behilflich sein können, ihr Leben neu zu justieren, dann werden wir letztendlich mehr Menschen in Arbeit vermitteln können.“
Lutz Schönenborn sei ein erfolgreiches Beispiel dafür – Mitte 2011 machte ihn zunächst Arthrose länger als ein Jahr erwerbsunfähig, danach hinderte ihn ein Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule an der Rückkehr in den Job – er rutschte in die Grundsicherung. Die Einschränkungen begleiten ihn bis heute. Für einen Menschen ohne Gesellenbrief sei das ein nahezu auswegloser Zustand. „Ich hatte über Zeitarbeitsfirmen viel in der Produktion gearbeitet, überwiegend mit der Flex in der Hand. Und als mein Körper am Ende war und ich aufgrund meiner Diagnose die Kündigung bekam, wurde ich damit verabschiedet, dass ich jederzeit wieder eingestellt würde, wenn ich wieder fit sei“, sagt er.
An diesem Versprechen habe sich Schönenborn aufgerichtet. Irgendwann war er aber dann doch sechs Jahre ohne Beschäftigung. Dass er in einer Beziehung mit drei Kindern lebte, rückte ihn in den Fokus des „ABC“-Projekts. Köhring: „Wir holen die Familien dort ab, wo am dringendsten geholfen werden muss, damit die Familie finanziell wieder eigenständig wird – manchmal müssen wir zunächst die Betreuung für die Kinder organisieren, manchmal reicht schon ein MiniJob für ein Elternteil – jede Familie hat ihre eigene Geschichte zu überwinden. Und je nachdem, was gefragt ist, übernimmt der jeweils kompetente Netzwerkpartner die Initiative – Krankenkasse, Handwerkskammer, Schule, Jugendamt, Kommune oder wir. Die Schönenborns brauchten eben eine Vollzeitstelle, die für den Verdiener körperlich zu leisten war.“
Diese Aufgabe fand der „ABC“-Fallmanager des Jobcenters bei der Samtgemeinde Steimbke. Seit Dezember arbeitet Schönenborn dort auf dem Bauhof. Er hält beispielsweise Grünflächen kurz, schneidet Bäume zurück, hält Gebäude in Schuss.
Schönenborn ist draußen, ob das Thermometer zehn Grad minus zeigt, oder die Hitze das Land quält. „Leider sieht keiner, was wir leisten“, sagt der gebürtige Pennigsehler – „dass um sie herum alles picobello aussieht, halten die Menschen für eine Selbstverständlichkeit, aber Landschaftspflege ist auch ein Knochenjob.“ Lutz Schönenborn ist stolz auf das, was er wieder zu leisten imstande ist.
Ein Gefühl, das er mit seinem Fallmanager aus dem Jobcenter teile. „Mit der körperlichen Schwäche hat ja auch die Psyche des Kunden immer stärker gelitten“, sagt sein Fallmanager. Für ihn sei das eine typische Verschlimmerung von länger dauernder Beschäftigungslosigkeit. Kunden würden depressiv und stehen sich für die Vermittlung selbst im Wege. Grundsätzlich leide die Gesundheit von Langzeitarbeitslosen oft insgesamt. Ihre Motivation, sich um sic-h selbst zu sorgen, nehme mit der Zeit ab.
Der „ABC“Ansatz steuere intensiv dagegen, verlagere die Arbeitsvermittlung in das Wohnzimmer der Kunden, was die Aktivitäten der Behörde familiärer gestaltet und Vertrauen aufbauen soll. Das funktioniere, erzählt Lutz Schönenborn: „Mein Fallmanager kam öfter zu uns nach Hause. Das fanden wir zunächst befremdlich, aber in unseren eigenen vier Wänden konnten wir viel unbefangener und ohne Zeitdruck an Lösungen unserer Situation arbeiten – eine andere Atmosphäre als im Jobcenter.“ Köhring hält den „ABC“-Weg für zukunftsweisend: „Grundsätzlich sollten Arbeitsvermittler immer den Mut haben, auch neue Wege zu probieren, auf die Menschen zuzugehen und dafür auch mal den Schreibtisch zu verlassen.“ DH
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Die Familie als Schlüssel zum Arbeitsplatz
Die Familie als Schlüssel zum Arbeitsplatz
„ABC“-Projekt: Jobcenter Nienburg vermittelt jetzt auch im Wohnzimmer und hat Lutz Schönenborn geholfen
Pressespiegel vom 10.07.2018Quelle: Die Harke
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